Marketing Report
PR-Leute in Deutschland denken oft zuerst darüber nach-Joe Miller

PR-Leute in Deutschland denken oft zuerst darüber nach-Joe Miller

Was machen PR-Leute typischerweise falsch, wenn Sie mit unliebsamen Themen konfrontiert werden?
 
Joe Miller: Zu den meisten Pressesprechern und Öffentlichkeitsarbeitern habe ich ein professionelles, positives Verhältnis. Das finde ich auch wichtig: Jeder macht seinen Job, wir nehmen das alles nicht persönlich. Wenn man bewusst getäuscht wird oder einem ein schlechter Charakter unterstellt wird, dann wird’s unschön und unprofessionell.

Ist Ihnen das als „FT“-Korrespondent in Deutschland passiert?
 
Selten, aber an einen Fall erinnere ich mich gut. Ich hatte in einem Artikel den CEO eines Unternehmens zitiert. Der Pressesprecher behauptete, ich hätte das Zitat erfunden und stellte mich als unredlich dar. Ich hatte die Aussage aber auf Band mitgeschnitten, die meine Version bestätigte. Der Vorwurf an mich war kein Versehen, denn der Unternehmenssprecher hatte das Gespräch auch aufgezeichnet. Das war Schikane. So etwas zerstört Vertrauen und eine professionelle Beziehung zwischen PR und Journalismus. Aber wie gesagt, das ist eher die Ausnahme.

Gibt es eine „typisch deutsche Art“, wie sich PR-Leute verhalten?
 
Es gibt einen Unterschied, der mir zur PR in vielen anderen Teilen der Welt aufgefallen ist: Deutsche Öffentlichkeitsarbeiter agieren eher reaktiv, sind insgesamt zurückhaltender, bieten punktuell Themen und Storys an. Wenn ich zum Beispiel über eine Branche, einen Markt oder wirtschaftspolitische Entwicklungen schreibe und um eine Einschätzung des CEOs bitte, kann das kompliziert werden. PR-Leute in Deutschland denken oft zuerst darüber nach, ob ihnen das etwas fürs Unternehmen bringt oder vielleicht sogar schaden könnte. In anderen Ländern ist das Verständnis von Geben und Nehmen ausgeprägter. 

Was wünschen Sie sich konkret?
 
Offenheit. Gerade auch in Hintergrundgesprächen. Wissen Sie, es gibt gute und schlechte Zeiten, und je besser Journalisten ein Unternehmen kennen und seine führenden Köpfe verstehen, desto treffender können sie Ereignisse einordnen und Entwicklungen beschreiben. Der Austausch in Vier-Augen-Gesprächen nützt mir langfristig mehr als ein singulärer O-Ton – und das gilt auch für den Unternehmer, CEO, Manager.

Führen Sie häufig Hintergrund­gespräche?
 
Ja, im Schnitt zwei bis drei Gespräche pro Woche. Manchmal werden Informationen daraus erst Monate später relevant für meine Berichterstattung. Als „FT“-Korrespondent arbeite ich anders als ein Journalist, der für aktuelle einheimische Medien unterwegs ist und oft unter Druck steht, für den nächsten Tag zu berichten. Ich bewahre Informationen in meinem Notizbuch auf, und mit der Zeit entsteht daraus ein größeres Bild und schließlich eine Geschichte. Als zum Beispiel der Mangel in der Halbleiter-Produktion in der deutschen Wirtschaft zum Problem wurde, konnte ich das gut einordnen und nachvollziehen, weil das in vorherigen Gesprächen schon ein Thema war.

Was macht für Sie einen guten Unternehmenssprecher aus?
 
Wenn ich das aus der Perspektive des „FT“-Korrespondenten sehe, finde ich natürlich die PR-Leute super, die verstehen, welche Art von Geschichten für die „Financial Times“ wichtig sind und dort veröffentlicht werden. Dazu muss man nur unsere Zeitung lesen, dann wird das für einen Profi schnell ersichtlich.

Sind deutsche Presseabteilungen gute Dienst­leister?
 
Sie sind in der Regel sehr zuverlässig, aber es gibt ein großes Problem: Am Wochenende, in der Zeit um Weihnachten und in den Sommerferien ist es fast unmöglich, Leute in den Kommunikationsabteilungen zu erreichen und an Informationen zu kommen. Mir fällt das vor allem in Deutschland, Italien und Frankreich auf. Wenn ich dann blank bin, kann ich das meinem Chefredakteur in Großbritannien nur schwer erklären. Das kennen wir dort so nicht.

Abonnieren Sie unseren Newsletter