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„Finnen vertrauen viel mehr den Journalisten als die Menschen in vielen anderen Ländern,

„Finnen vertrauen viel mehr den Journalisten als die Menschen in vielen anderen Ländern," so Ville Blåfield von Miltton

Wir haben uns im Interview mit Ville Blåfield von Miltton aus Helsinki wertvolle Ratschläge geholt, wie die eigene Pressearbeit in Finnland am besten gelingt. Ville Blåfield war früher unter anderem Redakteur bei Helsingin Sanomat.
 

Wie sieht die finnische Medienlandschaft aus?

Finnland ist ein kleines Land und ein kleiner Sprachraum, daher sind die Medienhäuser im Vergleich zu den schwedischen oder englischsprachigen Märkten nicht so groß. Aber was die Medien zu einem effektiven Kanal macht, ist der hohe Medienkonsum der Finnen. In Finnland gibt es eine lange Tradition des Zeitungsabonnements. Und die jährliche Umfrage des Reuters-Instituts zum Vertrauen in die Medien zeigt deutlich, dass die Finnen den Journalisten viel mehr vertrauen als die Menschen in vielen anderen Ländern, selbst im Vergleich zu unseren Nachbarn. Obwohl die Medien also relativ klein sind, haben sie einen großen Einfluss auf die finnische Gesellschaft und Kultur.

Können Redakteure Inhalte gemeinsam nutzen, wenn sie denselben Eigentümer haben?

Ja, das ist derzeit ein Trend. Und ist aus Sicht der Medienunternehmen auch sinnvoll. Wenn Sie qualitativ hochwertige Inhalte für eine Regionalzeitung produzieren, warum veröffentlichen Sie diese nicht auch in Ihren anderen Publikationen, wenn diese einen anderen Leserkreis haben? Allerdings ist es für die Interviewten etwas knifflig. Wenn diese der Zeitung A ein Interview geben und es dann auch in den Zeitungen B und C veröffentlicht wird, ohne dass die Interviewten davon wissen, an welche Zeitung sollen sie sich dann im Fall von Nachfragen wenden?

Haben sich die Veränderungen in der Medienlandschaft auf den Inhalt ausgewirkt?

In den letzten zehn Jahren wurde in Finnland ein Drittel der professionellen Journalisten entlassen. Gleichzeitig sind die Medien plötzlich rund um die Uhr online und stehen in hartem Wettbewerb. Alles in allem bedeutet dies, dass die Redakteure schneller sein und mehr Inhalte veröffentlichen müssen. Ich denke also, dass dies den Journalismus beeinflusst, indem es ihn mehr unter Druck setzt. Ich will damit nicht sagen, dass sie nicht trotzdem guten Journalismus machen, und manchmal ist Wettbewerb auch gut für die Qualität. Aber nicht immer. Ich denke, im heutigen Journalismus gibt es weniger Leute, mehr Wettbewerb und mehr Dringlichkeit, Nachrichten zu veröffentlichen.

Gibt es in Finnland interessante neue Medienkanäle?

Natürlich gibt es auch all die Social-Media-Plattformen, mit denen die traditionellen Medien versuchen, ihr Publikum zu erreichen. Eine weitere interessante Entwicklung in Finnland ist die Tatsache, dass Audio als Kommunikationskanal in den letzten Jahren mit Podcasts und Hörbüchern einen wahren Boom erlebt hat. Auch die Medien setzen Audio verstärkt in ihren eigenen Angeboten ein, indem sie eigene Podcasts lancieren und auf ihren digitalen Plattformen Audio als Instrument für die Erzählung von Geschichten nutzen. Was wir auch sehen, sind neue Geschäftsmodelle, neue Medien-Start-ups, die versuchen, neue Wege zur Finanzierung des Journalismus zu finden.

Ein interessantes Beispiel ist Long Play, ein Medien-Startup, das von einer Gruppe von Journalisten betrieben wird, die nur einen langen Artikel pro Monat für ihre Abonnenten veröffentlichen. Und dieser Artikel ist sehr umfangreich. Und dann ist da noch MustRead, ein digitaler Nischen-Medienkanal, der sich ausschließlich an Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft richtet. Es gibt also diese neuen, unkonventionellen Akteure, die versuchen, das Geschäftsmodell der Branche zu erneuern. Vielleicht sind ihre Endprodukte nicht so innovativ, es handelt sich im Wesentlichen um digitale schriftliche Medien. Neu ist jedoch, wie sie damit ihr Geld verdienen.

Wie gewichtig ist die Position der Nachrichtenagenturen

Ich würde sagen, dass sie früher wichtiger waren, zum Beispiel hatte die führende nationale Nachrichtenagentur STT früher eine deutlich wichtigere Position. Heute würde ich sagen, dass die wichtigsten Medien die kommerziellen Medienhäuser und die nationale öffentlich-rechtliche Gesellschaft YLE sind.

Wie wichtig sind Journalisten für eine erfolgreiche PR-Arbeit in Finnland?

Journalisten sind nach wie vor sehr wichtig. Wenn Sie in der Öffentlichkeit von sich reden machen und Aufmerksamkeit erregen wollen, können Sie natürlich versuchen, nur Ihre eigenen Medienkanäle oder die sozialen Medien zu nutzen. Meiner Erfahrung nach bekommt man jedoch einen gewissen Schub, wenn man glaubwürdige und verdiente Aufmerksamkeit in den Medien erhält, die die eigene Geschichte aufwertet. Und in vielen Fällen beruht die Aufmerksamkeit oder Diskussion über Ihre Marke in den sozialen Medien auf der Sichtbarkeit in den traditionellen Medien.

Wie eng ist das Verhältnis zwischen finnischen Journalisten und PR-Vertretern?

Es gibt diese traditionelle Trennung oder sogar Mauer zwischen uns, so wie es vielleicht auch sein sollte. Aber ich denke, dass mehr Journalisten den Wert professioneller Kommunikation und sogar PR erkennen, wenn sie offen erfolgt. Zumindest ist das meine Erfahrung.

Muss man die Journalisten unbedingt kennen, um seine Geschichte veröffentlichen zu können?

Nein, aber persönliche Kontakte sind sehr hilfreich. Und es ist hilfreich, aus erster Hand zu erfahren, wie die Diskussionen verlaufen oder wie Entscheidungen in der Redaktion getroffen werden. Es ist also wertvoll, persönliche Erfahrungen in der Redaktionswelt zu haben. Aber das ist nicht unbedingt notwendig. Wir und unsere Kunden treten täglich mit Journalisten in Kontakt, ohne sie im Voraus zu kennen. Wenn Sie eine gute Geschichte haben, wird der Journalist zuhören.

Was ist Ihrer Meinung nach das Besondere an der finnischen Art, PR zu machen, im Vergleich zu der, wie wir sie in Schweden machen?

Gute Frage. Da Miltton eine internationale Gruppe ist, ist es interessant, unsere unterschiedlichen Arbeitsweisen in jedem Land zu vergleichen. Ich denke, das finnische Medienökosystem zeichnet sich dadurch aus, dass es sich in kleinen Kreisen bewegt. Es ist üblich, dass man die Menschen kennt, mit denen man Kontakt hat, und persönliche Kontakte spielen eine große Rolle. Bei der Zusammenarbeit mit meinen Kollegen in Stockholm habe ich den Eindruck, dass die Beziehung zu den Journalisten eher geschäftlicher Natur ist. Aber was ich an der schwedischen Kultur wirklich schätze, ist ihre Unkompliziertheit. Jeder versteht die Rolle des anderen. Und ich habe den Eindruck, dass die Journalisten in Schweden Respekt vor den Kommunikations- und PR-Fachleuten haben. Vielleicht ist das Verhältnis hier in Schweden also ein bisschen reifer.

Gibt es bestimmte Kriterien, nach denen Redakteure eine Nachricht bewerten?

Als ich 2006 bei Helsingin Sanomat anfing, übernahm ich das Büro eines Journalisten, der ein Poster mit der Aufschrift "Interessant ist berichtenswert" an der Wand hängen hatte. In dieser Zeit gab es in den Redaktionen eine ständige Debatte darüber, ob wir ein neues Nachrichtenkriterium schaffen sollten, nämlich ob wir über etwas berichten sollten, nur weil die Menschen daran interessiert sind. Die eher altmodischen Journalisten waren dagegen und meinten, dass etwas, das an sich interessant ist, nicht zu einer Nachricht werden sollte. Aber vor kurzem sprach ich mit dem Chefredakteur von Iltalehti, einer der beiden großen Abendzeitungen in Finnland mit der größten Nachrichtenseite des Landes, und er behauptete, dass dies heute das bei weitem wichtigste Nachrichtenkriterium ist. Es ist also das treibende Kriterium für die heutigen Nachrichten, was auch bedeutet, dass es keine "bad news days" mehr gibt.

Wie lokalisiert oder "finnisch" muss die Pressemitteilung sein?

Natürlich ist es hilfreich, wenn Sie die Meldung auf Finnisch schreiben, aber es ist keine Voraussetzung. Finnische Journalisten erledigen einen Teil ihrer Arbeit auf Englisch. Und wenn Ihre Nachrichten international sind, ist es vielleicht sogar selbstverständlich, dass auch Ihre Kommunikation einen internationalen Stil hat. Das Wichtigste ist jedoch, die Botschaft zu lokalisieren. Sie müssen einen Blickwinkel haben, der für den finnischen Markt relevant ist.

Ist die Pressemitteilung immer noch ein gutes Format?

In einigen Fällen auf jeden Fall. Wenn Sie eine gute Nachricht mit einer einprägsamen Überschrift haben, den Inhalt gut formulieren und all die anderen Elemente hinzufügen, die eine gute Pressemitteilung ausmachen, dann funktioniert sie. Die Herausforderung besteht vielmehr darin, an wen Sie die Pressemitteilung senden. Sie sollten sie nur an relevante Medien senden.

Wie kann ich mit Journalisten in Kontakt treten?

Das kommt darauf an. Wenn es sich zum Beispiel um etwas Sensibles handelt, kann es sinnvoll sein, mit einem Telefonanruf zu beginnen. Aber im Allgemeinen würde ich sagen, dass zuerst eine E-Mail und dann ein Folgeanruf ein gutes Rezept ist. Aber wenn es um Exklusivität, ein Embargo oder einen Sonderfall geht, dann rufe ich den Journalisten normalerweise direkt an.

Antworten finnische Journalisten, wenn Sie sie anrufen?

Die Redaktionen haben viel zu tun, also muss man ihre Zeit respektieren. Aber ich stelle fest, dass Journalisten darauf reagieren, wenn man sie anruft.  Vielleicht ist die herkömmliche Methode jemanden anzurufen, mittlerweile schon veraltet. Aber wenn ich eine E-Mail sende und dann einen Anruf tätige, antwortet der Reporter: "Ja, ich habe gesehen, dass Sie eine E-Mail geschickt haben. Ich habe es noch nicht gelesen." Also machen Sie sie auf die E-Mail aufmerksam, indem Sie telefonisch nachhaken.

Sind finnische Journalisten an der Teilnahme von Pressekonferenzen interessiert?

Im Allgemeinen ist es schwierig, Journalisten persönlich zu treffen, und während der Pandemie war es unmöglich. Als wir nach der Lockerung der Beschränkungen im Herbst physische Pressetermine organisierten, war es immer noch schwierig, Leute zur Teilnahme zu bewegen, aber immer mehr Journalisten haben um eine Live-Übertragung gebeten. Die Fernarbeit über Zoom oder Teams hat also auch Auswirkungen auf die Pressegespräche. Es gibt wahrscheinlich keinen Weg mehr zurück zu einer Welt, in der man Presseveranstaltungen durchführt, ohne die Möglichkeit anzubieten, sie auch online zu verfolgen.

Für einen vielbeschäftigten Journalisten kann es Stunden dauern, bis er am anderen Ende der Stadt ist, nur um ein paar Informationen einzuholen. Ich verstehe also, dass sie es vorziehen, eine Live-Übertragung zu öffnen, dort Zitate abzurufen und dann zur nächsten Nachricht überzugehen. Ich würde sogar sagen, dass es leichter ist, Journalisten dazu zu bringen, Ihren Livestream zumindest online zu verfolgen, weil es so einfach ist, sich einzuschalten. Aber Sie müssen ansprechende Inhalte haben, um ihre Aufmerksamkeit zu erhalten.

Wenn meine Nachricht veröffentlicht wird, ist es dann sinnvoll, Nachfassaktionen durchzuführen?

Ich glaube schon. Wenn Sie ein Interview geben, sehen Sie es als eine gute Gelegenheit, auch Ihr Mediennetzwerk aufzubauen. Vielleicht schreibt der Reporter in einem Jahr eine weitere Geschichte und kommt dann wieder auf Sie zurück, oder Sie wissen beim nächsten Mal, an wen Sie sich wenden müssen, wenn Sie eine Geschichte haben. Wenn der Artikel oder die Reportage also gut ausgefallen ist, warum nicht hinterher eine Textnachricht schicken und sich für die gute Zusammenarbeit bedanken?

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